Rhetorik – Redetraining für jeden Anlass
Klappentext: „Vera F. Birkenbihl liefert, was man braucht, um selbstbewusst reden zu können: zahlreiche Tipps, gezielte Informationen und abwechslungsreiche Trainingsaufgaben führen Sie Schritt für Schritt zu Rhetorischer Freiheit und Sicherheit. Besonders praktisch ist das A-Z-Register zum schnellen Nachschlagen: So sind die Antworten auf die wichtigsten Fragen zur Rhetorik immer greifbar.„
Das Motto „Eigenlob stinkt“ war gestern! Der neueste Modetrend unter deutschsprachigen TrainerInnen: sich selbst zum besten Trainer im deutschsprachigen Raum erheben. Immer mehr selbsternannte „beste Trainer von so und so“ grinsen von den Titelblättern ihrer „eigenen Fachbücher“ (Die Anführungszeichen beziehen sich im Übrigen sowohl auf das Wörtchen „eigen“, als auch auf den Terminus „Fachbuch“).
Vera F. Birkenbihl hatte es nicht notwendig, sich selbst zu erheben. Die Vollbluttrainerin, die am 3. Dezember 2011 leider unerwartet aus dem Leben gerissen wurde, zählte tatsächlich zu den besten TrainerInnen im deutschsprachigen Raum. Einige Bücher, die sie uns hinterlassen hat, sind lesenswert, andere zählen mittlerweile zur unabdingbaren Standardliteratur für TrainerInnen. Wie heißt es im Volksmund so schön: der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Bereits ihr Vater war ein begnadeter Seminartrainer. Er verfasste im Übrigen das bekannte Werk „Train the Trainer“ für Ausbildner und Dozenten. In der Folgen soll es jedoch nicht um die Person Birkenbihls, sondern um ihr Buch „Rhetorik – Redetraining für jeden Anlass“ gehen.
„Rhetorik – Redetraining für jeden Anlass“ mit dem Untertitel „Besser reden, verhandeln, diskutieren“ ist wie Vera F. Birkenbihl selbst: quirlig, lebendig, innovativ, ideenreich, prägnant und etwas abgedreht. Von „Aktivierung“ bis „Zwischenrufe“ beschreibt sie wichtige Schlagworte aus dem Gebiet der Rhetorik. Sie behandelt dabei Begriffe wie beispielsweise „Angriffe“, „Argumente“, „Beziehungs-Ebene“, „Dialektik“, „Lampenfieber“, Überzeugungskraft“ oder „Zielgruppe“. Ab Seite 119 beginnt ein Trainingsteil. Ab Seite 135 beschreibt sie die optimale Gliederung einer Rede. Für reine Strukturalisten wird ihr Buch zum Abenteuer. Kreative und innovative Köpfe erhalten exakt den quirligen, „gehirngerechten“ Aufbau, den man gerade in Fachbüchern so selten findet. Meines Erachtens bietet dieses Werk auch erfahrenen TrainerInnen immer wieder neue Denkanstöße, wenn nicht sogar einzelne Aha-Erlebnisse. Auch methodisch rangiert sie auf hohem Niveau. So finden sich in ihrem Werk allseits bekannte Konzepte, wie beispielsweise das AIDA Modell, aber auch ihre eigenen, mittlerweile natürlich auch schon berühmten Ansätze, wie beispielsweise das AITA-Modell, Steine im Fluss oder den Birkenbihl‘schen Banalitätstest.
Aus einer subjektiven Perspektive heraus gefällt mir insbesondere ihr hoher inhaltlicher Anspruch an den Redner. Birkenbihl‘sche Rhetorik ist kein Sophismus und auch keine Eristik. Ihrer Vorstellung nach sollte das Verhältnis von Wissen und Rede ungefähr dem Verhältnis eines A4-Blattes zu einer Streichholzschachtel betragen. Ein Vortrag gelingt dann – und zwar auf allen Ebenen – wenn er auf fundiertem, gesichertem und erprobtem Wissen steht. Auch ihr Fokus auf unentwegtes Redetraining verdient eine Erwähnung. Ohne Fleiß kein Preis. Sie entromantisiert die Rhetorik und degradiert sie zu dem was sie ist: ein Werkzeug, das man nur durch beständiges Üben beherrschen wird.
Der Trainingsteil besteht zwar nur aus einer Handvoll Übungen, diese sind jedoch allesamt praxistauglich und dadurch äußerst hilfreich.
Natürlich gibt es kein Werk ohne jegliche Kritikpunkte. Daher gehe ich im Nachhinein auf einige Punkte ein, die mich etwas gestört haben. Ich muss schon vorab festhalten, dass es sich dabei um Randthemen und Kleinigkeiten handelt. Allerdings erlaube ich es mir auf Grund des hohen Niveaus etwas pedantisch zu sein. Im Übrigen zählt der etwas konfuse Aufbau nicht zu den Punkten, die ich in der Folge kritisieren werde. Diese Quirligkeit gehört einfach zu ihrem Stil. Wer mit dieser Eigenart gar nicht kann, der ist mit Werken Birkenbihls eher schlecht beraten. Gerade denjenigen sei jedoch geraten es trotzdem zu versuchen. Es rentiert sich!
Von einer Trainerin dieses Formates würde ich mir wünschen, dass sie weiß, dass uns Kant mit seinem kategorischen Imperativ eben gerade nicht die Goldene Regel ans Herz gelegt hat. Diese Behauptung hat sie im Zuge ihres Banalitätstests auf Seite 21 aufgestellt. Dieses Beispiel ist für den Banalitätstest ungeeignet, weil es schlichtweg falsch ist. Auf Seite 95 schreibt Birkenbihl, dass die Rhetorik in gewisser Weise dem Fahrradfahren gleiche. Ich persönlich behaupte das Gegenteil. Für mich verhält es sich mit der Rhetorik wie mit dem Spielen eines Instruments. Wer nicht beständig übt, wird sein Niveau sukzessive verlassen. Wer das Instrument nie spielt, wird es verlernen. Gottseidank sind wir in der glücklichen Position, dass wir die Wahl nicht zu üben gar nicht haben. Wir müssen, ob wir wollen oder nicht, von morgens bis abends kommunizieren. Aus diesem Grunde ist es uns unmöglich, das Sprechen gänzlich zu verlernen. Allerdings weiß jeder erfahrene Berufsredner, der einmal ein Jahr pausiert hat, dass er sein ursprüngliches Niveau erst wieder erreichen muss. Zu guter Letzt sei noch erwähnt, dass sie auf S 101 darauf hinweist, dass ein Training vor der Kamera erst zum Ende eines jeden Seminars eingesetzt werden dürfe, da es sonst die unerfahrenen TeilnehmerInnen verunsichern könnte. In meinen Seminaren lernen die SeminarteilnehmerInnen von Anfang an mit der Kamera umzugehen. Sie ist von Anfang an unsere erwünschte Begleiterin. Indem von Beginn an eine Atmosphäre des gegenseitigen Vertrauens geschaffen wird, führt der Einsatz der Kamera nicht zur Verunsicherung, sondern sogar zur Erhöhung des Spaßfaktors. Die TeilnehmerInnen lernen mit ihrem Kamerabild umzugehen und es anzunehmen. Natürlich müssen TrainerInnen in der Lage sein, eine Umgebung des Vertrauens zu schaffen. Zudem muss er die Kamera meines Erachtens mehr als zwei Mal einsetzen, da ansonsten eben kein Gewöhnungseffekt, sondern eher eine Verunsicherung eintritt. So gesehen hat sie Recht. TrainerInnen, die dazu nicht imstande sind, sollten tatsächlich die Finger vom Kameratraining lassen.
Fazit: Mir persönlich hat dieses kompakte und quirlige Werk sehr gut gefallen. Das Lesen hat regelrecht Spaß gemacht. Die von mir ins Treffen geführten Kritikpunkte sind höchste Pedanterie und absolut vernachlässigbar. Birkenbihls Werk ist aus meiner Sicht kein unabdingbares Standardwerk und würde daher großartige vier Sterne verdienen. Dennoch hat mir das Buch damals als Jungtrainier derart viele Denkanstöße gegeben, dass ich mich dazu entschieden habe, es mit fünf Sternen zu bewerten.
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